Rede Sonntagsbegegnung "Wer ist Mensch, wer ist Tier?" mit Prof. Josef Reichholf und Prof. Henning Wiesner (2014)

Liebe Gäste,

Grüß Gott miteinander und herzlich willkommen zu unserer heutigen Sonntagsbegegnung, schön, dass Sie alle da sind. Wir freuen uns, und sagen Danke, dass wir heute wieder im Franz-Marc-Gymnasium sein dürfen.

Lieber Herr Prof. Reichholf, lieber Herr Prof. Wiesner, und natürlich freuen wir uns vor allem, dass Sie beide zu uns nach Markt Schwaben gekommen sind. Sie werden sich heute austauschen über „Wer ist Mensch, wer ist Tier?“: Der langjährige Direktor des Münchner Tierparks Hellabrunn im Dialog mit einem der bekanntesten Evolutionsbiologen Deutschlands.

Sie, lieber Herr Prof. Wiesner, sind von ihrem Beruf her Tierarzt und kümmern sich nach Ihrer 37-jährigen Tätigkeit in Hellabrunn jetzt als Tierarzt um die Tiere des Salzburger Zoos. Vor ein paar Jahren haben Sie die Akademie für Zoo- und Wildtierschutz ins Leben gerufen, für die wir heute kräftig Spenden sammeln wollen.

Auch mit Ihren Büchern sprechen Sie viele Menschen an, vor allem Kinder und Jugendliche: „Müssen Tiere Zähne putzen?“, „Wenn Hunde sprechen könnten“ oder „Das große Buch der Tiere“ sind ein paar Beispiele.

Über internationale Naturschutz-Programme haben Sie sich z. B. für den Jaguar in Venezuela oder die Urwildpferde in Kasachstan eingesetzt, ganz aktuell helfen Sie der Tierwelt im Irak. 1998 ist Ihnen der Felix-Wankel-Tierschutzpreis verliehen worden, insbesondere auch für die von Ihnen entwickelte Kunst, mit dem Blasrohr Tiere behutsam zu betäuben.   

Sie, Herr Prof. Reichholf, sind von Ihrer Ausbildung Biologe und Zoologe. Viele Jahre waren Sie der Leiter der Abteilung Wirbeltiere in der Zoologischen Staatssammlung München. Aufgewachsen sind Sie am Inn, ein Jahr haben Sie in Brasilien verbracht, auf Ihren Reisen haben Sie die Tier-und Pflanzenwelt in vielen Teilen der Erde aus der Nähe kennengelernt.

„Begeistert vom Lebendigen“ – so heißt eines Ihrer aktuellen Bücher, in dem Sie über Schneeflöhe, die Schönheit von Walen aber auch über Kartoffelfeuer und das Geheimnis der Spinnfäden schreiben.

Entdeckt habe ich Sie über Ihr Buch vom Ursprung der Schönheit und Ihre Gedanken zur Entwicklung der Menschheit. Mir gefällt besonders, dass Sie sich nicht auf ein Spezialgebiet eingeengt haben, sondern versuchen, das Ganze im Blick zu halten. Für Ihre klare Sprache wurde Ihnen 2007 der Sigmund-Freud-Preis verliehen.

Wer ist Mensch, wer ist Tier? Für mich ist das Spannendste bei unserem heutigen Dialog nicht unbedingt die Anzahl der gemeinsamen DNA-Segmente und das punktgenaue Trennstrich-Ziehen. Spannender (und wichtiger) finde ich: Wie gehen wir mit Lebewesen um, die nicht „Mensch“ heißen? Haben wir Respekt vor Ihnen oder betrachten wir sie nur als nützliche Dinge? Spüren wir eine Verbundenheit mit ihnen oder sind sie uns fremd? Und wie ist das mit den wilden Tieren, mit dem „Bruder Wolf?“ (Wir haben, hier vorne, heute auch eine kleine Ausstellung „Bayern Wild“ bei uns, die sich mit der Wieder-Ansiedlung wilder Tiere bei uns beschäftigt).
Was ist aus unserer langen gemeinsamen Evolutions-Geschichte zu folgern? Was aus der - verglichen z. B. mit den Echsen oder Vögeln - kurzen Aufenthaltszeit des Homo Sapiens auf der Erde?
Was können wir von Tieren lernen? (Die kleine Ausstellung von 6.-Klässlern da drüben geht der Frage nach: „Was können Tiere, was der Mensch nicht kann?“)
Und müssen wir Vegetarier sein, wenn wir Tiere lieben? Dürfen wir Tiere töten, um mit ihren Organen einen kranken Menschen zu retten?
Zu manchen dieser Fragen gibt es wahrscheinlich keine eindeutigen Antworten.

Während ich diese kleine Begrüßungsrede schreibe, liegt unsere Katze Mogli auf ihrem Hochsitz neben mir, schnurrt und fragt mit ihren klugen gelb-grünen Augen: „So, wer ist jetzt Mensch, und wer ist Tier? Und wie war das vor 2 Millionen Jahren, und wie wird es sein, wenn weitere zwei Millionen Jahren vergangen sind?“ Ich habe ihr geantwortet, dass ich nach dieser Sonntagsbegegnung vielleicht ein bisschen mehr weiß.

Lieber Herr Prof. Reichholf, lieber Herr Prof. Wiesner, wir freuen uns jetzt auf Ihren Dialog.