Eröffnung der Sonntagsbegegnung "Die Seele der Politik" mit Bundesministerin a. D. Herta Däubler-Gmelin und dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt (2005)

Lieber Hans-Jochen, verehrte Frau Vogel, liebe Herta, verehrter Herr Hildebrandt, sehr geehrter Herr Oberstudiendirektor Dittmann, liebe Gäste,
herzlich Willkommen zu unserer Schwabener Sonntagsbegegnung. Die Seele der Politik. Gibt es sie? Und wenn ja: Hat die Politik das Wort überhaupt verdient?
Ich glaube: Ja. Aus 3 Gründen.

Ja, weil in der Politik unter der Schale aus Macht und Machen auch etwas anderes ist: Etwas, das mit Gefühlen, mit Verletzlichkeit zu tun hat, etwas Zerbrechliches, Zartes.
Die Seele als das Zarte unter der Schale.

Und ja, weil in der Politik verschiedene Kräfte am Werk sind: das Enge, Ich-Bezogene, den Anderen niedermachende aber auch das Weite, das das Ganze im Auge hat, das Aufbauende.

Die Seele als die Kraft, die das Gute sucht.

Und schließlich ja, weil die Politik unterscheiden muss: das Brimborium von wirklicher politischer Arbeit, das flüchtige Alltagsgeschäft von dem, was über die Zeit Bestand haben soll, das Unwesentliche vom Wesentlichen.
Die Seele als das Wesentliche in der Politik.

Wesentlich für Politik ist Gerechtigkeit.
Liebe Herta, als Bundesjustizministerin hast Du Dich gleichsam von Berufs wegen um Recht und Gerechtigkeit gekümmert. Du hast das nicht nur getan, indem Du im Ministerium und im Parlament Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht hast.
Du hast Dich auch auf eine persönliche Art darum gekümmert. Zweimal habe ich diese Art aus der Nähe kennengelernt: Du hast Dir – das war 2001 - Zeit genommen für ein einfühlsames Gespräch mit straffälligen Jugendlichen, die bei uns im Landkreis, im Piusheim bei Glonn, betreut werden. Du hast ihnen Mut gemacht und auch nach dem Besuch noch Kontakt gehalten. Das andere Mal- das war bei der Sommerbegegnung 2000 – hast du dir Zeit genommen für meine Gäste aus Papua-Neuguinea, Politiker von der Insel Bougainville, auf der ein Jahrzehnt ein blutiger Bürgerkrieg geherrscht hat. Du hast ihnen mit deinem Ministerium geholfen, für die Insel einen rechtlichen Autonomiestatus zu finden, der inzwischen Grundlage für einen stabilen Frieden geworden ist.

Lieber Herr Hildebrandt, Sie sind auf Ihre Art auch ein Bundesjustizminister: Minister – wörtlich übersetzt - heißt ja erst einmal: einer, der dient. Sie dienen der Gerechtigkeit in unserem Land: mit der Schärfe Ihrer Sinne, Ihres Verstandes und Ihres Mundes kümmern Sie sich, dass Scheinheiligkeiten, Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten ins Licht kommen. Aber die Schärfe ist nur die Hälfte: in Ihrem Kabarett ist zu spüren: Da kümmert sich einer um Gerechtigkeit aus einem tiefen Gefühl für seine Mitmenschen,  für die Sache der Schwachen,  für die, die keinen Anwalt haben. Ihr Witz hat etwas Zartes, er hat eine Seele.

Der 3. Justizminister bist Du, lieber Hans-Jochen Vogel: Zu Dir will ich heute nur sagen. Danke, dass Du unser Schirmherr bist, danke, dass Du da bist und danke, dass Du jetzt ein Grußwort sprichst.